Zwischen Drehbank und 3D-Druck
Prototypen sind aus der Produktentwicklung nicht mehr wegzudenken. Dank moderner 3D-Druck-Verfahren lassen sie sich immer schneller und kostengünstiger herstellen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor, spielt doch die Liefergeschwindigkeit der Modelle eine immer größere Rolle. Gleichzeitig erhalten immer mehr Prototypen einen (elektrischen) Antrieb. Drei Experten der PCV Group aus dem niederländischen Enschede beleuchten aktuelle Trends beim Prototyping.
Knopfdruck statt Drehbank: Der 3D-Druck hat die Entwicklung von Prototypen revolutioniert. „Die verschiedenen 3D-Druck-Verfahren bieten immense Möglichkeiten“, betont Wouter Nijland, Lead Engineer bei PCV. Einen großen Vorteil sieht er darin, dass die gedruckten Prototypen schon wie das spätere Produkt aussehen können. „Mit Logo, Beschriftung und den gewünschten Funktionen versehen, hat man quasi ein Abbild des künftigen Originals in Händen.“ Vor allem: Man kann es wörtlich „begreifen“ und Funktionen in einem frühen Stadium testen. Ein unschätzbarer Pluspunkt gegenüber herkömmlichen Methoden. So lassen sich Ergonomie und Bedienungskomfort von Produkten schnell und unkompliziert in verschiedenen Ausführungen testen.
Produktdesign
Anderes Beispiel: Bei einer Kaffeemaschine, die mit Kapseln befüllt wird, bestand die Aufgabe darin, während des Brühprozesses die benutzten Kapseln vollautomatisch weiter zu transportieren. Dabei mussten etwa 40 Teile berücksichtigt werden, unter anderem automatische Greifer. Aufgrund der Komplexität war es besonders wichtig, ein originalgetreues Produkt zu modellieren, um das spätere Verhalten der Kapseln zu simulieren. Dank 3D-Druck konnte die Herausforderung bewältigt werden.
„Wenn wir schon in der Vorentwicklung eingeschaltet werden, ist für das spätere Produkt noch kein Design vorhanden. Dann können wir im 3D-Druck selbst vorschlagen, wie es später aussehen könnte. Das hat den Vorteil, dass wir Bestandteile wie Motor oder Pumpe an der aus unserer Sicht richtigen Stelle einplanen können“, schildert Nijland. „Unsere Kunden gehen davon aus, dass wir die Sache auf technischer Seite im Griff haben, deshalb beauftragen sie uns. Aber mit dem passenden Design und der richtigen Architektur können wir sie noch überraschen.“
Selektives Lasersintern
Welche 3D-Druck-Verfahren kommen bei PCV zum Einsatz? Das, so der Ingenieur, hängt vom Projekt ab. „Am häufigsten verwenden wir selektives Lasersintern sowie ein relativ junges Verfahren namens MultiJetFusion“, erklärt Nijland. Bei beiden Methoden wird auf unterschiedliche Weise aus einem Pulver ein neues Werkstück Schicht für Schicht aufgebaut. Da der Werkstoff für das Modell nicht mit dem Material für das eigentliche Produkt übereinstimmen muss, wird häufig Nylon verwendet, oft auch mit passenden Zusätzen zur Erhöhung der Festigkeit. „Metall können wir auch drucken lassen, aber das ist kostspielig und zeitaufwändig.“
Das Interesse an den Drucken ist auch bei den eigenen Kollegen groß. „Immer, wenn ein neuer gedruckter Prototyp geliefert wird, schauen sich mehrere Ingenieure das Ergebnis an und diskutieren darüber. Als Techniker sind wir eben neugierig, haben ein natürliches Interesse daran. So können wir gleichzeitig voneinander lernen.“ Apropos Kollegen: Für jeden Auftrag stellt PCV ein Projektteam zusammen, in dem die benötigten Spezialisten zusammenarbeiten – unter anderem für die Elektronik.
Elektrische Antriebe
„Mittlerweile haben immer mehr Produkte einen Antrieb. Deshalb spielt auch bei den Prototypen die Elektronik eine größere Rolle“, schildert Senior Engineer Neal Meijers einen weiteren Trend. Die PCV Group geht proaktiv auf diese Entwicklung ein. „Ursprünglich kommen wir aus der mechanischen Konstruktion. Seit einigen Jahren stärken wir aber unsere Kompetenz im Bereich Elektronik.“ Meijers gehört zu den PCV-Ingenieuren, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben.
Die Bandbreite seiner Aufgaben reicht von einfachen kleinen Prototypen bis zu hochkomplexen High-End-Geräten. Zu den kleineren Aufgaben zählt beispielsweise ein Inhalator, der mit einer kleinen Leiterplatte (PCB) versehen wurde. „Das andere Extrem hatten wir beispielsweise bei einer Kaffeemaschine. Bei dem Projekt ging es darum, das Detailverhalten von Kaffeebohnen zu dokumentieren“, erklärt Neal Meijers. Mithilfe von Hochfrequenzmessungen sollte erfasst werden, wie die Kaffeebohnen und das Mahlwerk interagieren. Aufgrund der Ergebnisse sollte die perfekte Einstellung für das Mahlwerk gefunden werden. Ein aufwendiges Projekt, das aber letztlich zum gewünschten Erfolg geführt hat – dank der elektrotechnischen Expertise des PCV-Teams. Besonders praktisch: „Wir bauen die Prototypen bei uns im Hause selbst zusammen“, verdeutlicht Neal Meijers.
Inhouse-Montage
Die Montage wiederum gehört zu den Kernkompetenzen von Sebastian Kass, einem deutschen Ingenieur bei dem niederländischen Unternehmen. „Mir ist vor allem die Präzision wichtig. Wenn es sich nur um kleine Tests mit einigen Schläuchen und einem kleinen Aluminiumrahmen handelt, ist das nicht entscheidend. Geht es aber um komplexe Prototypen für Endprodukte, dann hilft einem die Genauigkeit am Anfang im weiteren Verlauf deutlich weiter.“
Dem entgegen steht ein zunehmend wichtiger Wunsch der Kunden: „Es muss schnell gehen. Die Lieferzeit ist ein kritisches Element. Es darf sogar mehr kosten, wenn das Modell dafür schneller da ist.“ In der Regel dauert die Herstellung eines Prototyps ein bis zwei Tage. „Wir hatten auch mal ein komplexes Projekt für ein Sicht- und Funktionsmodell eines Kaffeeautomaten. Da haben wir sechs Wochen dran gearbeitet. Das ist aber die Ausnahme“, berichtet Kass.
Lieferzeit
Was die Geschwindigkeit erhöht und damit die Lieferzeit verkürzt, sind die schnellen 3D-Drucke. „Bei einem Partner können wir übers Wochenende drucken lassen, wenn wir freitags bis 12 Uhr anliefern. Wir haben einen weiteren Partner, der exklusiv für uns Modelle druckt. Wenn wir ihm bis 18 Uhr die entsprechenden Daten senden, haben wir am folgenden Morgen das Produkt.“ Diese Technik verwendet statt Pulver ein flüssiges Harz als Ausgangsmaterial, das von einem Laser belichtet und anschließend durch UV-Licht vollständig ausgehärtet wird. Daher müssen die gedruckten Prototypen häufig nachbearbeitet werden, besonders, wenn es um Gehäuseteile geht.“ Dafür verfügt PCV über eine eigene Werkstatt mit Werkstattmeister, Drehbank und Fräsmaschine.
Vom Modell bis zur Serienfertigung ist es mitunter ein komplexer Weg. „Wenn ich zeichne, habe ich schon das Fertigungsverfahren im Hinterkopf. Vom Entwurf bis zur Montage greift beim Prototyping ein Rad ins andere. Wir sind überwiegend in der Vorentwicklung aktiv. Der Punkt, an dem wir den sprichwörtlichen Stab an die Serienfertigung weitergeben, hängt vom Projekt ab.“ Je später, desto anspruchsvoller. Und attraktiver für die PCV-Ingenieure. Dafür halten sie die neusten Trends im Blick…